Der Sieg über die Sonne IV - Im zehnten Land

 

 

 

Produktion von Novoflot

 

Radialsystem V - Deck

12. - 20. Oktober 2013 / Premiere 16.10.2013

nach der futuristischen Oper von Kasimir Malewitsch

 

Glaubt man dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik, kommt man unweigerlich zum wissenschaftlich kaum widerlegbaren Schluss, dass die Kraft, die ein ungestümes Kollektiv russischer Futuristen vor genau hundert Jahren an den Tag legte, noch irgendwo vorhanden sein muss. Als sich im Sommer 1913 der Komponist Michail Matjuschin, der Dichter Alexej Krutschonych und der Maler Kasimir Malewitsch zum größenwahnsinnigen Gipfeltreffen der ersten «Regierung des Erdballs» versammeln, produziert ihr jugendlicher Überschwang nicht nur ein energetisches Hoch, sondern auch ein Kunstwerk, das alles will: die Abschaffung der alten Welt, die Revolution der Kunst, die Aufhebung der Schwerkraft und die Geburt eines neuen Menschen. 

Ihre erste und einzige futuristische Oper «Der Sieg über die Sonne» erzählt das Märchen von der Gefangennahme der Sonne durch unsterbliche Kraftmenschen und dem Anbruch einer neuen dunklen Zeit. Ein wild gewordener Bausatz seltsamer Figuren formiert sich dafür vor Malewitschs revolutionärem Schwarzem Quadrat zur überbordenden Parade. Damit gerät die Premiere in St. Petersburg zum Skandal. Aber er weist auch weit in die Zukunft: Die vertonte Klimakatastrophe avant la lettre war das Manifest einer Avantgarde, die nicht wusste, dass die Kräfte, die sie 1913 noch im Übermaß besaß, hundert Jahre später dringend gebraucht würden. 

 

Die Oper überlebt nur als Fragment. Im Herbst 2013, punktgenau zum 100-jährigen Jubiläum der Uraufführung, nehmen Novoflot und vier junge Komponisten nun das überlieferte Material zur Grundlage für einen Systemneustart.

Die Oper „Der Sieg über die Sonne“ war und ist kein zusammenhängendes Werk. Sondern künstlerischer Ausdruck einer unbeherrschbaren Vielheit von Erwartungen, Notwendigkeiten und Aufbrüchen. 

 

Komposition - Aleksandra Gryka

Regie - Sven Holm

Musikalische Leitung - Vicente Larrañaga

Raum - Elisa Limberg

Kostüme - Anke Gänz & Elisa Limberg

Dramaturgie - Malte Ubenauf

Dramaturgische Mitarbeit - Fadrina Arpagaus

Video - Karo Serafin

Licht - Jörg Bittner

Produktionsleitung - Dörte Wolter

 

Mit 

Henriette Bothe, Jiwon Choi, Raphael Clamer, Mihhail Gerts, Renate Jett, Merja Mäkelä, Simon Robinson, Liz Schmidt, Johanna Skirecki, Renate Sörensen, Ernst Surberg, Melih Tepretmez, Katharina Thomas, Yuka Yanagihara, sowie

Ronald Bird, Henriette Bothe, Christine Dietrich, Elke-Luise Ebertz-Kruse, Ulrike Fruhtrunk-Dehn, Brigitte Göres, Heidrun Haase, Sigrid Haase, Sigrid Herzog, Helmut Heydenreich, Antonia Korn, Martin Michaelis-Seidler, Liz Schmidt, Johanna Skirecki, Renate Sörensen, Helmi Südmersen, Karin Tzschätzsch, Jutta Wehnelt, Dieter Wieck, Monika Zimmering

 

Soloklavier - Mihhail Gerts

ensemble mosaik - Bettina Junge (Flöte), Simon Strasser (Oboe), Christian Vogel (Klarinette), Jürgen Grözinger, Roland Neffe (Percussion), Ernst Surberg (Klavier)

ensemble apparat - Nathan Plante (Trompete), Matthew Conley (Trompete), Fabian Schmidt (Posaune), Max Murray (Tuba)

 

Berliner Zeitung Peter Uehling, 17.10.2013

"(...) Wenn die Opernkompanie Novoflot dem Zuschauer die Möglichkeit einräumt, zwischen einer und fünf Teilen ihrer im Stadtgebiet verteilten neuen Produktion „Sieg über die Sonne“ auszuwählen, geht man dankbar den bequemsten Weg und beschränkt sich auf den Mittwochabend auf dem Deck des vertrauten Radialsystems. Netterweise lagen dort Decken und Wärmflaschen bereit. Aber nicht nur, weil man sich um uns sorgt in diesen kalten Nächten. Die Sänger und Schauspieler, die vor uns liegen wie eine Flüchtlingsschar auf dem Schiffsdeck, sind in die gleichen orangen Decken gehüllt und frieren wie wir. Ein eingehüllter Musiker bringt auf einem Klavier verstimmte Töne hervor. (...) Und bald ist diese Grenze so breit wie die Spree: Da fährt ein Boot vorbei, und von dort und vom anderen Ufer hören wir plötzlich die schlotternde Bläsermusik Aleksandra Grykas und den megaphon-verstärkten Gesang, den es zuvor an Deck gab. Nur noch eine Holzlatten nagelnde Sängerin und ein trommelnder Schauspieler mit so einem vertraut-seltsamen Schauspieler-Alltagstext sind bei uns. Schräge Poesie, dunkler Sinn."